Oeikuo-Turm ... in Krems

Permakultur, Kunst, Religionen und Kulturen vereinen sich beim Stein & Wein-Workshop

Permakultur, Kunst, Religionen und Kulturen vereinen sich beim Stein & Wein-Workshop

Permakultur, Kunst, Religionen und Kulturen vereinen sich beim Stein & Wein-Workshop

Rainer Vogler

Rainer Vogler

Veröffentlicht am 03.04.2023

Ein interreligiöses Respekt-Projekt: Die ehemalige Obstanlage der Wein- & Obstbauschule Krems hinter dem Judenfriedhof wird zu einem Permakulturgarten mit hohem Anteil an Nutzpflanzen. Integriert wird ein versenkter ovaler Aufenthaltsbereich aus Stein mit Stiege und Rampe, von dem ein Weg zu einem begehbaren Steinturm als Aussichtspunkt im Zentrum des Permakulturgartens führt.

Die Wortsynthese Oeikuo-Turm inkorporiert drei Aussagen:

  1. Oikumene (gr. bewohnte Welt): Der ständig landwirtschaftlich nutzbare Teil der Erde wird in unserer modernen Kulturlandschaft am nachhaltigsten und biologisch vielfältigsten bei Permakulturen genutzt.

  2. Oekumene: der Dialog der christlichen Konfessionen bzw. der monotheistischen Religionen wird in dem Projekt offen und weltweit interpretiert.

  3. Oekologie: Die Wechselbeziehung der Spezies Mensch mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt fördert nicht immer den ungestörten Haushalt der Natur. Hier werden zwei positive Wirkungen vereint. Der Permakulturgarten lebt eine „ökologische“ Bewirtschaftung: Vielfalt, Lebensräume, nur natürliche Bewirtschaftung. Der Steinturm in Trockenbauweise stellt die nachhaltigste und ressourcenschonendste Bauweise des Menschen aus mineralischem Baustoff dar. Stein, eigentlich der unbelebte Teil der Natur, wird als Steinbau zu einem der vielfältigsten Biotope überhaupt.

Drei Kunstelemente bilden die spirituelle Seele des Projekts.

1) Rock of Respect

In einen Sandsteinblock werden religiöse Symbole der Weltreligionen gemeißelt. SchülerInnen wählten bereits Symbole als Vorschlag aus. Michael McGroarty aus Irland leitet den Steinmetz-Workshop beim Stein & Wein. Der Rock of Respect wird später am Turm aufgestellt.

2) in Krems

Der hebräische Schriftzug für „in Krems“ wird am Steinturm als „Blechfahne“ am Rock of Respect auf dem Turm lesbar für den zahlreichen Autoverkehr platziert.

Dieser Schriftzug ist der Titel des Gedenk-Monuments von Hans Kupelwieser, das 1988 im jüdischen Friedhof auf diesem Gelände errichtet wurde. Die 42 Meter lange metallene Schwelle, in die die Namen der 127 Kremser Juden, die vertrieben oder ermordet wurden, eingefräst sind, ist vom Steinturm aus über die Friedhofsmauer deutlich zu sehen. Wer den Friedhof besuchen will, muss entweder die Schwelle überschreiten oder entlanggehen, um am Ende den Friedhof betreten zu können: Die Toten und die Vertriebenen müssen auf diese Weise zur Kenntnis genommen werden.

Am Steinturm wird dieses Denkmal als Kurzwort, in derselben metallischen Ausprägung, gespiegelt. Das hebräische Wort ist keinesfalls selbsterklärend, es soll eine Frage im Kopf auslösen. Der Steinturm ist höher als die Friedhofsmauer und die Grabsteine; das metallene Mahnmal ist kleiner.

3) Wege weisen

Ein Kompass der Vergangenheit weist den Betrachter zum Nachdenken über die Wege der Zukunft ein. Auf der Aussichtsplattform am Turm werden Richtungen und Entfernungen angegeben. In südlichen Richtungen finden sich religiöse Orte, die im „Rock of Respect“ (1) zu finden sind, beispielsweise Rom, Mekka, Jerusalem, Bodhgaya, Lumbini. Richtung Norden befand sich in unmittelbarer Nähe das Stalag 17, das unweigerlich mit „in Krems“ (2) assoziiert wird.

Der gespaltene Wegweiser polarisiert also zwischen den positiven Aspekten der Weltreligionen im Süden und den negativen Aspekten der WW2-Vergangenheit im Norden.

Geschichten, die der Steinturm erzählt

Eine Nische im unteren Turmbereich lässt Raum für weitere Symbolik. Wird sie in Anlehnung an die Weinkelter in der Bibel, passend zur Weinbauschule, eine historische kleine Weinpresse beherbergen? Stellt sie die Bleibe für im Religionsunterricht gestaltete Kunstwerke oder Friedenssymbole dar? Dient sie als Ausstellungsort für sonst dem Verfall preisgegebene Ausstellungsstücke aus dem jüdischen Friedhof? Oder sind wir gezwungen, Mahnungen an aktuelle Kriege zu veranschaulichen? Diese Entscheidung sollen SchülerInnen nach Fertigstellung treffen.

Der Permakulturgarten ist vom Steinturm aus überschaubar. Welche Gehölze stehen hier, welche Früchte bringt der von Menschenhand geschaffene aber dem natürlichen Gleichgewicht überlassene Permakulturgarten? Dies bringt uns Sigi Tatschl am 9. Juni näher.

Baukontraste: jeder Epoche seine Bauwerke. Autofahrer, die Krems Nord fahren, kennen unweigerlich den sechsstöckigen Internatsturm der Weinbauschule Krems aus den 1970er-Jahren. Der kleinere Oeikuo-Turm aus reinem Naturstein steht „davor“ als neuer historischer Bruder.

Lerne in unserem 3-tägigen Praxiskurs, wie du selbst stabile Trockenmauern baust.

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